Aquarell-Porträt: Wie mischt man eigentlich „Hautfarbe“?

Du siehst das Coverbild des Artikels Aquarell-Porträt Junge Römer tanzen anders als die andern (Falco)

Von Extrawurst bis Fleischfarben

Natürlich könnte ich auch ohne sentimentale Erinnerungswolken fröhlich sein, aber wollen tu ich nicht. So entsinne ich mich bei dem Thema Aquarell-Porträt und „Hautfarben“ stante pede an die Jolly Buntstifte meiner Volksschulzeit. Damit war Scheitern kein Problem mehr. Es lag aber ausnahmsweise nicht an mir, sondern an diesen einfältigen Jolly-Stiften. Derjenige mit der Nummer 10 nannte sich verheißungsvoll „Fleischfarbe„, war aber von derart ekelhafter Tönung, dass er der einzige war, der nach jahrelanger Buntstift-Karriere immer noch so lang war wie am Anfang. Im Gegensatz zum herrlichen „Kirschrot“, das letztendlich als mitleiderregendes Stummerl in der Metall-Schachtel wohnte. (Für unsere 3-SAT-Zuseher: Stummerl = übrig gebliebenes, kurzes Stück von einem länglicheren Gegenstand). Alles, was man mit diesem Jollystift erreichen konnte, war ein rosa Schweinchengsichterl mit fahlem Alte-Extrawurst-Ton.

Endlich erwachsen und farbenfroh

Heute aber hab ich mich von diesem Desaster erholt, darf mich supercooler Schminke-Aquarellfarben bedienen und erfreue mich an einem erweiterten Farbkreis-Horizont. Wie also finden wir die richtige Gesichts- und Halsfarbe für unseren jungen Römer? Welche Farbe hat Haut eigentlich? Und warum nennt man sie „Inkarnat“? (lat.: carnis = Fleisch).

Wie du an den beiden unteren Fotos sehen kannst, arbeitest du beim Aquarell-Portrait in hauchzarten Schichten, auch Lasuren genannt. Lieber eine zu helle Lasur nehmen, als eine zu dunkle. Weglöschen ist nicht. Leider. Sobald Hautfarbe 1 (links) getrocknet ist, kannst du Hautfarbe 2 (rechts) auftragen. Schau dir genau an, wo am Foto die Schatten liegen und wo das Licht auftrifft. Und immer schön langsam arbeiten. Hautfarbe setzt sich aus vielen verschiedenen Farben zusammen. Meist richtig liegst du mit Siena gebrannt, Ocker, Englischrot und einem Hauch Violett.

Die mischt dir gleich zu Beginn zwei unterschiedliche Hauttöne, einen helleren und einen dunkleren, damit du während des Malens nicht umständlich „Neu-Mischen“ musst. Am allerbesten mischt du dir gleich alle Farben, die du verwenden willst auf einer großen Kunststoff-Palette zusammen.

  • Hautfarbe 1: Ocker, Englisch-Rot, Siena gebrannt & Ultramarinblau
  • Hautfarbe 2: Ocker, Englisch-Rot, Siena gebrannt & mehr Ultramarinblau
  • Violett: Englisch-Rot, Ultramarinblau und Sepiabraun
  • Blaugrau: Paynesgrau & Sepiabraun
  • Sepia: Sepia
  • Ockergrün: Ocker & Ultramarinblau (oder Goldgrünlasur)
  • und eventuell etwas Siena gebrannt, Neutraltinte, Paynesgrau und Bergblau
Meine bevorzugte Farbpalette für Aquarell-Porträts

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Und hier unten die Mischungsergebnisse von obiger Aufzählung:

Wie man Augen zum Leben erweckt

Die Augen des Aquarell-Porträts sind das Herz des Bildes. Sobald die Person beginnt, „aus dem Bild zu blicken“, ist schon fast alles gewonnen. Für mich ist es der Moment, in dem ich das Reflex-Licht einzeichne: the moment of birth sozusagen. Beginne mit der Iris in sanftem Paynesgrau. Dann abschattieren mit Ultramarinblau. Wie du siehst (Foto 1) habe ich die Bereiche, auf denen sich das Licht spiegelt, bereits frei gelassen. Du kannst die Lichtreflexe aber auch nachher mit Deckweiß aufmalen, was beizeiten Nerven spart. Sobald alles trocken ist, kannst du mit einem Bleistift der Stärke B die Lider nachziehen und auf dem Oberlid damit Schatten setzen. Danach tupfst du mit einem Papierwischer (Estompen) etwas Graphit auf den weißen Augapfel herunter. Etwa bis zur Hälfte – als Schatten des Oberlids und der Wimpern. Die Pupille kannst du ebenfalls mit dem Bleistift zeichnen.

Du siehst die fertig gemalten Augen
Lass dir Zeit beim Augenmalen und trau dich, das Augenweiß massiv abzuschatten

Licht & Schatten

Auf dem unteren Bild siehst du das Vorlage-Foto, und zwei schwarz-weiße Ausdrucke des Fotos. Anhand dessen kannst du schnell feststellen, wo die stärksten Schatten des Gesichts liegen müssen. Mach dir mit einem Filzstift rasche One-Line-Skizzen des Gesichts, um ein besseres Gefühl für die Tonwerte zu bekommen.

Du siehst die Schatten und Kontraste

Die Nase

Die Nase besteht immer aus 3 „Knubbeln“, zwei für die Nasenflügel und einer für die Nasenspitze. Dieses Foto zeigt das Modell nicht auf Augenhöhe, sondern von leicht unten fotografiert. Somit sieht man die Nasenlöcher stärker als normal und die Nasenspitze liegt im Schatten. Beachte das während des Malens der Nase.

Der Schatten der Nasenlöcher wird mit Violett erzeugt.
Hier siehst du, wie auf dem linken Nasenflügel noch eine Lasur in Haut 2 gelegt wurde.

Der Mund

Versuche, Ober- und Unterlippe in nicht ganz gleicher Farbe zu malen, das erzeugt mehr Plastizität. Spare das Glanzlicht auf der Unterlippe aus, damit das Papier durchschimmern kann. Ich habe Englischrot als Hauptfarbe verwendet, aber man kann natürlich in allen möglichen Rot-Varianten schwelgen. Fühl dich frei, zu experimentieren!

Schatten und Glanzlichter der Lippen beachten

Der Anfang am Ende

Hier siehst du noch die Vorzeichnung mit Bleistift und eine Vorlage zum Download. Du kannst sie auf ein Fenster kleben und durchpausen. Allerdings nur, wenn du dünnes Aquarellpapier benutzt, so wie ich. Ich male meist auf 100grammiges Ingrespapier, das ich mit Tapetenkleister auf eine Holzplatte aufziehe. Somit vermeide ich das Wellen des Papiers durch zuviel Feuchtigkeit.

Aquarell-Porträt: Der Sieg der China-Tusche

Wenn alles gut getrocknet ist, entspann dich erstmal. Denn wir verwenden für die Kleidung und die Haare des jungen Römers China-Tusche. Diese Nan-King-Tusche ist eine tiefschwarze Zeichentusche mit grosser Tontiefe auf Acrylbasis. Sie ist wasserfest, lichtecht, ergiebig, fliesst lange aus der Feder und tropft nicht. Wenn du sie versehentlich umstößt, hilft dir das aber auch nicht weiter. Deshalb: Entspann dich! 🙂

Mit einem dickeren Haarpinsel (etwa Größe 10) trägst du diese Tusche ganz sanft und geduldig auf die große Fläche der Kleidung auf. Du wirst sehen, wie farbintensiv diese Tusche ist. Sie deckt mit einem Pinselstrich. Und sie trocknet so gleichmäßig auf, dass du keinen Pinselstrich darin sehen wirst. Vortrefflich!

Natürlich kannst du auch mit schwarzer Gouache-Farbe malen, aber die Wirkung wird nicht ganz dieselbe sein. Dann malst du die Haare vollflächig aus mit ein paar fedrigen Striche nach außen. Ich finde, das gibt den Porträts eine modernere Anmutung. Was meinst du?

Du siehst Indian Ink
Indian Ink oder China-Tusche
Du siehst die Kolorierung der Kleidung
Zügig arbeiten
Du siehst das fertige Aquarell-Porträt
Und wie sieht dein junger Römer aus?

Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig dazu inspirieren, selbst einmal ein Aquarell-Porträt zu versuchen. Wichtig bei der Hautfarbe scheint mir die Tatsache, dass Haut niemals ein und dieselbe Färbung hat, sondern immer aus mehreren Farbtönen besteht. In der Kunst nennt man die Hautfarbe „Inkarnat“. Wenn du bei Egon Schiele nachsiehst, wirst du sehen, dass seine Gesichter immer aus sehr starken Farben bestehen: heftiges Rot, dunkles Blau, Gelboliv, Erbsgrün, alles wirst du in diesen Gesichtern sehen. Eine gute Übungswiese ist das übrigens. Auch ich habe auf der rechten Seite des Gesichts einige Partien in Goldgrünlasur und sehr hellem Violett angelegt, kannst du es sehen? Probiere einfach mutig aus!

Ich freu mich auf deinen Kommentar!! (Jetzt, wo die Kommentar-Funktion endlich wieder klappt! Ich bin so FROH!!)

Schönen Abend, wo immer du bist!

Deine Dodo

p.s.: Conny, wäre das nicht auch etwas für deine Malgruppe? 🙂