Mit Aquarellfarben den Glanz des Wassers einfangen
Jeder braucht ihn, diesen Raum ganz für sich allein. Diese Art innerer Einkehr, ungesehen und unkommentiert von irgendjemand. Einzig tolerierte, ja willkommene Freunde sind die Wildgänse, Rehe, Igel, Wolkengebilde, Tautropfenmelodien und das Wassergemurmel der Flüsse. Der Blick aufs Wasser lässt uns zur Ruhe kommen. Er entspannt unser aufgewühltes Gemüt. Die Natur lässt uns ganz so sein, wie wir sind – ohne Verbesserung oder Verstellung. Als Teil von ihr erkennen wir uns selbst in Blatt und Blume. Wie schön wäre es, diesen Zauber des Wassers auf Aquarellpapier bannen zu können. Wagen wir uns dran, ans Wasser malen?
Was hat Staunen mit Wasser malen zu tun?
Noch bevor Du den Pinsel in die Hand nimmst, rate ich Dir, wieder Staunen zu lernen. Man verbindet diesen Begriff immer mit Kindern. Die Verzückung ist ihnen geradezu in die Wiege gelegt. Weil sie sich die Zeit zugestehen, die Dinge durchdringend anzusehen. Im Zeitlupentempo und voller Hingabe. Sie sind immer in der Zeit, gegenwärtig, ganz da. Das Wort Staunen kommt von Starren, also hat mit einem Anschauen von langer Dauer zu tun. Du siehst, das impliziert ein Innehalten, ein Zeit-Anhalten, ein Zur-Ruhe-Kommen. Anders wird’s nicht gehen, beim besten Willen nicht. Und dann, wenn Du genug gestaunt hast, schnapp Dir Deinen Pinsel und fang an, Dein Aquarell zu malen. Langsam, fokussiert und gelassen. Die beste Basis für gelungene Bilder! 😉
Das kindliche Staunen versorgt uns mit purer Lebensfreude
(und besseren Bildern!)
Jetzt geht’s aber los: die Schritt-Anleitung zum Wasser malen
Zur Vorbereitung: Du brauchst eigentlich nur fünf Aquarell-Farben, um dieses Aquarellbild zu malen.
- Chinacridon Purpur (ein sehr farbintensives Violett),
- Siena gebrannt (ein mittleres Braun)
- Lasurorange
- Indischgelb (ein kräftiges, klares Gelb)
- Ultramarinblau
Mische Dir die Farben in kleinen Näpfchen an, denn Du wirst zum Gießen der Aquarellfarbe aufs Blatt soviel davon verbrauchen, dass Dir der gewohnte Aquarellkasten mit den Mininäpfchen keinen guten Dienst erweisen wird. Besorge Dir unbedingt Aquarellfarben in der Tube. Diese haben die gleiche Qualität wie die Näpfchenfarbe, du kannst aber eine viel größere Menge auf einmal in die kleinen Schälchen drücken, um sie mit Wasser zu vermischen. Zum Abmischen wären aber über diese 5 Farben hinaus noch von Vorteil: Neutraltinte, eine wunderbare Möglichkeit, Farben abzudunkeln, ohne krasses Schwarz verwenden zu müssen. Vandyckbraun, ein grünstichiges Dunkelbraun. Paynesgrau, ein sehr warmes und dunkles Grau. Ultramarinblau für die Wasserfläche. Ich würde Dir raten, anfangs nur ein paar Aquarellfarbtuben zu kaufen und dann nach und nach zu erweitern. Das ist billiger und individueller.
Papier vorbereiten, um Wasser zu malen
Das Aquarellpapier (am besten in höherer Grammatur, etwa 200 bis 300 gr.) entweder mit Tapetenkleister aufleimen oder mit Tesakrepp spannen. (Unter diesem Tapetenkleister-Link von vorhin findest du keinen Kauf-Link, sondern eine ganz genaue Anleitung für diese Technik.) Wenn Du das Papier vorher leicht anfeuchtest und dann erst mit Tesa aufspannst, dann wird es sich nachher nicht so leicht wellen, wenn Du es mit Wasser benetzt. Ich würde Dir auf jeden Fall dazu raten, das Papier aufzuleimen, weil sich jedes Klebeband mit dem Papier so inniglich verbindet, dass du nach dem Krepp-Abziehen den „aufgerissenen Rand“ nicht mehr verwenden kannst, also in jedem Fall durch ein Passepartout abdecken musst. (Nur zur Info, damit es keine böse Überraschung gibt! 😉
Eine Vorzeichnung mit Bleistift (HB) ist auf jeden Fall anzuraten. Zeichne den Horizont niemals in der Mitte des Blattes. Entweder ein bisschen ober- oder ein wenig unterhalb der Mitte wäre ideal – perfekt wäre natürlich der Goldene Schnitt, wie Du diesen bestimmen kannst, findest Du hier auf der Site von Whitewall. Allerdings liegt Dir diese harmonische Gewichtung sicher im Blut, sonst hättest Du kaum bis hierher gelesen. 😉
Die glorreichen Vier plus Eins
Hier siehst du die wichtigsten Farben im Näpfchen. Ein zusätzlicher Vorteil, wenn Du Dir diese Näpfchen besorgst ist, dass Du sie mit einem Plastikdeckel verschließen kannst und später bei einem anderen Aquarell weiterverwenden kannst. Ich hab Dir hier einen Link zu winzigen Tiefkühl-Boxen gelegt, die eignen sich prima dafür.
Die Sache mit dem Sonnentrick
Du kannst Dir die Sonne mit einem kreisrunden Fleck aus Maskierflüssigkeit (Rubbelkrepp) vormalen. Auch wenn das ein bisschen zu scharfe Kanten ergibt, so kannst Du mit diesem Trick doch viel ungehemmter die „Farbensauce“ auf dem Papier hin und her schwenken. Sobald alles getrocknet ist, runter mit dem Rubbelkrepp, denn er könnte, wenn er zulange auf dem Papier verweilt, nicht mehr so einfach abgehen. 😉 Und dann gehts auch schon los mit dem schönsten Teil dieses Aquarellbildes. Laß‘ es fließen, genieße den Fluss der Farben ineinander, gegeneinander, miteinander und verfolge still und glücklich die farblichen Verwegenheiten. Das sanfte Himmelgelb wirkt mit dem Chinacridonviolett ganz einfach nur zauberhaft. Wie würde Ingrid Buchthal sagen? Delikaaat! 🙂
Wie beginnen?
Zuerst benetzt du das ganze Aquarellpapier mit Wasser und lässt danach zuerst das mit viel Wasser gemischte Gelb aus dem Farbschüsselchen auf das wässrige Blatt einfließen. Gleichzeitig kippst du jetzt den Aquarellblock und steuerst so den Fluss der Farbe. Das ganze braucht etwas Übung (manche sagen, ein halbes Leben ;-). Wische immer wieder mit einem Taschentuch die herunterrinnende Aquarellfarbe ab. Zuvor hast Du hoffentlich den Tisch mit einem alten Handtuch und Küchenrolle abgedeckt. Es wird nämlich alles ein ziemliches Gepansche!
Das Plastikfolienwunder
Bevor wir ans Wasser malen gehen, kommen die lieben Baumfreunde dran. Hier kannst Du Dir mit einem Supertrick behelfen. Knülle eine transparente Küchenfolie klein zusammen und tunke sie in das Farbschüsselchen. Dann sanft auf das Aquarellpapier tupfen, dort, wo Du den Baum haben willst.
Spiegelungen im Wasser malen
Wie Du die Spiegelungen im Wasser malen kannst? Ganz einfach, du tupfst wieder mit dem Folien-Knäuel sorgfältig ein ähnliches Muster genau unter Deinen vorherigen Baum. Das ist es auch schon!
Zuviel Farbe erwischt?
Keine Panik, wenn Du mal etwas zuviel oder zu dunkle Farbe genommen hast. Wie hier unten bei diesem Foto, wo Du sehen kannst, dass ein bisschen zuviel dunkles Blau auf meinem Blatt gelandet ist.
Du nimmst einfach ein Stück Küchenrolle oder Taschentuch und tunkst die ganze Sache auf. Alles kein Problem! Manchmal kann es lustig sein, eine gemusterte Küchenrolle zu verwenden und dann das Muster auf dem Blatt zu erhalten. Aber in den meisten Fällen eher nicht 😉
Farbenrausch in Pastell
Diese zarten Farbharmonien entstanden durch ein mehrmaliges Darüberlegen einer zarten pastelligen Lasur. Auch hier musst Du dich übend (iterativ) an dein Ergebnis herantasten. Dann werden die Äste mit einem dünnen Haarpinsel eingezeichnet. Ob Marder oder Nylon überlasse ich Dir. Probier aus, was Dir passend erscheint. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Marder nicht immer die beste Wahl ist, weil er sehr schnell altert im Gegensatz zur Kunstfaser. Außerdem leidet kein Marder, wenn wir Nylon nehmen. Aber ich will hier nicht moralisierend rumquaken. (Warum eigentlich nicht?)
Letzte Spiegelungen
Wie Du siehst, hat das Wasser blaue, gelbe und violette Farben bekommen. Wenn Du ganz genau auf einen See oder Weiher schaust, wirst Du entdecken, dass das Wasser niemals nur eine Farbe hat. Es sind ganz viele verschiedene, die sich auch ständig verändern, je nachdem, wo das Licht gerade hinfällt. Ja, da kann man schon ins Staunen geraten beim Wasser malen! 😉 Jetzt zeichnest Du die Spiegelungen der Äste ganz zart und nur andeutungsweise ins nilgrüne Nass.
Ein Boot zu guter Letzt
Hier siehst Du noch, wie ich ein Boot auf den See setze, um noch mehr „Stille“ und „Atmosphäre“ ins Bild zu bringen.
Letzte Korrekturen am Wasser malen
Zum Schluss kannst Du noch zusätzliche Lasuren aufs Wasser setzen. Achte dabei auf einen lockeren Strich. Lieber etwas früher aufhören, als das Bild zumalen. Das kann sehr schnell passieren. Gerade beim Wasser malen muss man sehr vorsichtig die einzelnen Lasuren übereinander legen.
Abschließend, wenn alles SUPERTROCKEN ist, die Maskierflüssigkeit runterrubbeln, das Tesa entfernen und ein passendes Passepartout suchen (und hoffentlich finden).
Tipp: Das Bild schlafen legen
Oder, falls Du mit Tapetenkleister gearbeitet hast, das Blatt vom Untergrund lösen. Wenn du zulange gewartet hast, etwa über Nacht, dann wird sich das Blatt nicht mehr so einfach vom Untergrund lösen. Dazu gibt es einen wertvollen Tipp: Mache ein großes Handtuch, es muss so groß wie dein Bild sein, gut nass, wringe es aus und lege es vorsichtig auf das Bild. Dann stülpe einen großen Plastiksack (Müll-Sack) drüber und schlage das Ende um, sodass dein Brett mit dem Bild feucht bleibt. Nach ein paar Stunden holst du dein Zeichenbrett wieder heraus (vorsichtig!) und löst das Handtuch vom Bild. Das Bild ist nun ganz feucht und der Tapetenkleister ebenfalls. Das Handtuch nicht hin und herschieben, um die Farben nicht zu verwischen, sondern vorsichtig vom Bild abrollen. Dann kannst du dein Aquarell nun achtsam an den Enden fassen und wieder langsam vom Brett ablösen. Dann lege es auf einen sauberen und planen Untergrund zum Trocknen auf. Es müsste nun ganz glatt auftrocknen – hoffentlich!
Falls Du den ganzen Verlauf als Video ansehen willst, dann kannst du das einfach auf YouTube tun. Hier ist der Link dazu:
Aber nun viel Freude beim Wasser malen und
Stay healthy!
Deine Dodo
Dieser Artikel wurde am 29. Jänner 2024 aktualisiert!