Aquarell: Der Atem des Januar

Du siehst das fertige Aquarell Wasserspiegelung Der Atem des Januar, Aquarell 2020, 30 x 40 cm

Wasser malen

Es gibt so Tage, die sind muffig und rau. (Geht es euch auch so, dass ihr immer das Gefühl habt, dem rau würde etwas schmerzlich fehlen? Ich kann mich an die verordnete Abwesenheit des h einfach nicht gewöhnen…natürlich ist das h nicht unbedingt nötig, um den Sinn von rau zu verstehen; aber würde man alles abschaffen, was nicht sinnvoll ist, was wäre das für eine abartige Welt?) Ein muffiger Tag muß nicht sein. Man kann sich wirkungsvoll zur Wehr setzen mit

  • einem Earl Grey im Cafe Eiles
  • unanständig vielen Folgen eurer Lieblingsserie bis Netflix vorsichtig fragt: Wollen Sie XY weiterschauen?
  • oder Wasser malen!

Ich rate zu Wasser malen, denn es hilft garantiert. Denkt nur an Prinz Charles. Andere wären bei so einer langen Wartezeit auf das Königspodest bestimmt depressiv geworden. Wer also mutig ist und sich fürs Aquarellieren entschieden hat, der sollte nicht einfach drauflos pinseln, sondern das Bild von Beginn an planen. Denn ein Ausbessern ist zumeist nicht drin. Und weil ich immer gerne was dazulerne, hab ich mich im Dezember für eine Weiterbildung bei der genialen Malerin Ingrid Buchthal eingeschrieben. Sie ist eine der berühmtesten Aquarellmalerinnen Österreichs. Von ihr hab ich eine wirklich wunderbare Technik gelernt, die ich euch gerne hier weitergebe. Ich hoffe, ich kann es euch halbwegs gut erklären, denn ich hatte kaum Zeit für Step-Fotos, weil ich so fokussiert auf das Malen war. Aber einige Fotos wurden es doch und vielleicht könnt ihr euch was zusammenreimen, ja?

Alles beginnt mit einer Portion Kleister!

Obwohl Wasser von ganz alleine fließt, scheint es ratsam, ihm eine Art „kontrollierte Fließrichtung“ anzuzeigen. Eine Vorzeichnung mit Bleistift anzulegen, ist daher weise. Denn so ein winterliches Baummotiv ist ganz schön knifflig, wenn es darum geht, dass sich die Stämme im Wasser spiegeln sollen. Zu allererst aber müsst ihr das Papier aufziehen. Am Abend davor also das Ingres-Papier (70 oder 100 gramm) mit Tapetenkleister (macht euch eine dünnflüssige Lösung davon) einstreichen und auf eine dünne Holzplatte kleben. Als Holzplatte eignen sich dünne Pappelsperrholzplatten. Das ist ein Geheimtipp von Ingrid! (Danke dafür – klappt wirklich großartig!) Die Holzplatten gibt es beim Baumarkt. Kauft sie nicht im Künstlerbedarf, dort sind sie nur unnötig teuer. (Neue Holzplatten vorher einkleistern und trocknen lassen.)

Alles schön glattstreichen, damit keine Blasen entstehen. (Mein Ingres-Papier habe ich von Bösner, bzw. von Gerstäcker.) Wichtig: das Papier einige Minuten VOR dem Aufkleben ruhen lassen, damit der Kleber gut in das Aquarellpapier einziehen kann. Sollten die Ecken austrocknen, dann streichst du diese vor dem Aufkleben erneut ein bisschen mit Kleber ein. Verwende keinen Spezial-Tapetenkleister für schwere Tapeten, sonst bekommst du das Blatt kaum mehr von der Platte.

Dreamteam Ultramarinblau und Siena gebrannt

Wenn die Vorzeichnung steht, könnt ihr den Rubbelkrepp (Produktlink) auf die Stellen, die anschließend weiß bleiben sollen, auftragen. Das gelingt gut mit dem Ende des Pinselstiels oder einem Pinsel, den ihr nicht mehr braucht. Trotzdem gut auswaschen, damit er fürs nächste Mal wieder fit ist! 😉

Und dann beginnt das Malen des Baum-Hintergrunds: Von der Horizontlinie hinauf bis zum Ende des Blattes streicht ihr das Papier mit einem sehr breiten Pinsel mit klarem Wasser ein. Sanft und immer in eine Richtung, damit die feinen Härchen des Ingres-Papiers nicht schwindelig werden.

Danach eine Mischung aus Wasser und den Farben Ultramarinblau und Siena gebrannt (Produktlink) in einem kleinen Döschen zubereiten. Auf einem Probeblatt solange probieren, bis euch die Farbe gefällt. Die Farbe sollte eine müde und gleichzeitig wertvolle Ausstrahlung haben, wenn ihr versteht, was ich meine? Dann tragt ihr die Farbe unten auf der Horizontlinie in das sehr feuchte Papier auf, mit lockerer Hand, lasst es eher einfließen, als dass ihr damit malt. Aquarell kommt von Aqua (Wasser) und meint: fließen lassen!!

hier siehst du die Vorzeichnung und erste Schritte zu dem Aquarell "Atem des Januar"
Vorzeichnung in Bleistift und erste Farbaufträge in Ultramarin und Siena gebrannt
Hier siehst du den Rubbelkrepp
Hier siehst du, wie der Rubbelkrepp den Schnee auf den Ästen trotz dunkler, feuchter Farbe weiss bleiben lässt.

Ingrid und der famose Taschentuch-Trick

Und damit hatte Ingrid auch einen sehr coolen Trick auf Lager: Sie zeigte mir, wie man mit einem zusammengeknüllten Taschentuch die feuchte Farbfläche gaaaanz behutsam von oben langsam trockentupft. Der Vorgang geht in mehreren Stufen vor sich: Man kippt das Holzbrett leicht, bis die Farbpigmente nach oben fließen und sind sie dort angelangt, kippt man das Brett wieder nach unten, das wiederholt man solange, bis sich die Angelegenheit beruhigt hat. Dann tupft man vorsichtig ein bisschen Farbe trocken und dann wird wieder gekippt. Das müsst ihr einfach ausprobieren und euch von dem Ergebnis überraschen lassen.

Du siehst wie eine zweite Ebene mit Baumkronen entsteht
Sehr ihr, wie durch das Trockentupfen eine zweite Ebene mit Baumkronen im Nebel entsteht? Genial!

Bäume malen sich wie von selbst

Und dann, während die Farbe trocknet, seht ihr, wie ein kleines Wunder entsteht: die Bäume malen sich quasi wie von selbst! Das Ultramarinblau (Produktlink) hat nämlich die wunderbare Eigenschaft, während des Trockenvorgangs zu granulieren. Das sieht dann aus wie winterliches Laub und Äste-Gekröse. Um den Hintergrund komplett zu machen, könnt ihr nun mit der Kante eines Taschentuchs die Stämme „malen“, indem ihr die Kante vorsichtig in die noch feuchte (aber auch nicht zu nasse!) Farbe hineinhaltet und ein wenig Farbe sozusagen abzieht. Das gelingt nach ein paar Testversuchen! Aber bloß nicht zu regelmäßig in den Abständen werden, sonst habt ihr einen bald einen ollen Gartenzaun! 🙂

Mit Wasser malen ist grandios! Hier siehst du, wie die Bäume langsam erscheinen, während das Ultramarin trocknet
Seht ihr, wie die Äste und welken Blätter plötzlich entstehen, sobald das Wasser trocknet?

Wasser, Spiegelungen und Schatten

Wie ihr auf dem nachfolgenden Bild seht, ist der Hintergrund schon gut getrocknet. Diese müden blau und braun getönten Farben lassen die Weite und Ferne gut erahnen. Jetzt ist es Zeit, die Bäume im Vordergrund zu malen, die Spiegelungen im Wasser und auch deren Schatten im Wasser. Wenn ihr ein gutes Foto von so einer Winterszene habt, achtet genau darauf, was ihr seht. Von wo genau geht die Spiegelung weg? Wie genau verläuft der Schatten? Und gebt nicht zu früh auf. Das Aquarellieren braucht wirklich sehr viel Übung. Und das Fehlermachen gehört einfach dazu. Ärgert euch nicht, wenn mal was danebengeht, man hantelt sich quasi von Fehler zu Fehler und lernt immer was dabei. Ich finde, wenn man erstmal den Hintergrund versteht, ist schon viel gewonnen! Übt zuerst mal das Granulieren, es zahlt sich aus und macht sehr viel Spaß. Dann hat ein Tag, der muffig begonnen hat, keine Chance mehr, muffig zu bleiben! Garantiert! 🙂

Du siehst die Schatten der Bäume
Hier siehst du die Schatten der Bäume am Ufer und eine Spiegelung, obwohl der tatsächliche Stamm noch gar nicht gemalt wurde. Planung ist wichtig. 😉

Feuchtgebiete

Nachdem die Bäume gemalt sind, geht es daran, ihre Spiegelungen zu malen. Wie Ingrid immer so schön sagte: Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel. Wenn ihr das beherzigt, kann nichts schief gehen. 😉 Erst wenn die bespiegelten Baumstämme und Äste trocken sind, geht daran, den Fluß zu malen. Nirgendwo gilt das Let it flow so sehr wie bei Flüssen. Ihr mischt euch eine unwiderstehliche Mischung aus Ultramarin und ein bisschen Neutraltinte und ganz wenig Siena (wenn überhaupt). Und zwar nehmt ihr genügend Wasser. Damit das funktioniert, müsst ihr diese Mischung in einem kleinen Plastikbecher anrühren, denn die Palette des Malkastens ist dafür einfach zu mickrig! Die Fläche des Flusses wird nun mit etwas Wasser feucht gemacht. Achtet darauf, dass nichts sonst feucht wird, denn die Farbe wird anschließend NUR dorthin fließen, wo es feucht ist. (Zumindest sollte sie das! 😉

Wasser malen

Es geht los: nun gießt ihr in Richtung des Flusses die Farbe vorsichtig auf die feuchte Fläche des Papiers ein. Lasst die Farbe zügig einfließen und genießt den zauberhaften Moment. Dann könnt ihr die Holzplatte auch ein wenig hin und her schwenken, damit die Farbe dort bleibt, wo ihr sie haben wollt.  In die noch feuchte Farbe könnt ihr mit ein wenig Siena ein paar Lichtreflexe „einimpfen“. Einimpfen deshalb, weil ihr die Farbe nur Eintropfen lassen solltet. Denn mehrmaliges Berühren dieser Farbfläche mit dem Pinsel lässt das „Wasser“ stumpf aussehen. Hier heißt es also ÜBEN. 🙂

Das Wasser fließt mit Ultramarinblau
Hier siehst du das Ultramarinblau fließen – bis hinaus über das Ingrespapier! 🙂

Wasser-Kleckse & Striche im Wasser

Wenn der Fluss gut getrocknet ist, malst du die beiden vorderen Baumstämme darüber. Die Schneeflächen bekommen noch ein paar Kleckse. Die Stämme unten ein paar Gräser, damit sie nicht gar so kahl in der Gegend rumstehen. Ich habe in den Fluss noch ein paar helle Striche „gemalt“, indem ich mit einem Lineal und trockenem Pinsel etwas Farbe herausgeholt habe, allerdings finde ich, dass der Fluss vorher besser aussah (siehe vorheriges Foto) – aber ein Radetzky hilft da nichts mehr, die Striche bleiben und ich muss mit ihnen leben. 😉 Danach werden die Schatten der Bäume über die Schneehügel gelegt.

Du siehst das Aquarell Atem_des_Januar und winterliche Wasser Spiegelungen der Bäume
Lichtreflexe, dunkles Wasser und müdes, kaum erahntes winterliches Licht

Wie ihr auf dem Coverfoto unten erkennen könnt, habe ich dann noch in der Mitte des Flusses ein bisschen Farbe aus dem Fluss herausgetupft, um etwas Eis anzudeuten. Und, könnt ihr ihn schon fühlen, den „Atem des Januar„? So heißt mein Bild nämlich. Das cremefarbene Passepartout mit den Maßen 50 x 60 cm gibt dem Aquarell schlußendlich den richtigen Rahmen.

Viel Freude beim Nachmalen und Baum-Hintergrund üben!

Eure Dodo

p.s.: DANKE, liebe Ingrid, nochmals für die wunderbaren Tage in der Wiener Kunstfabrik! Garantiert komme ich wieder zu einem deiner Kurse. So traumhaft!

p.p.s.: für alle, die bis hierher gelesen haben, gibt es die Möglichkeit, an einem Gewinnspiel teilzunehmen.
Gewinnfrage: Wo liegt der Hauptfehler in dem Bild „Der Atem des Januar“? (Schau genau! 🙂
1. Preis: 3 hochwertige Aquarellnäpfchen
Schreib die Antwort an kresse (et) dodokresse.com und warte ab, was passiert! 🙂

Nachsatz – Februar 2020:
Tadaaaa: die Gewinnerin steht fest!

Danke für die Teilnahme! Die Gewinnerin der Aquarellnäpfchen steht nun fest. Herzliche Gratulation an:
Evelyn Wiencek aus Stuttgart!
Die Farben sind schon auf dem Weg!
Darüberhinaus ging ein reich illustrierter „Trostpreis“, mein Buch Colours of Happiness, an:
Cornelia Apel aus Zahna-Elster.
Viel Freude damit!
Danke an alle! 🙂

Du siehst das fertige Aquarell Wasserspiegelung
Der Atem des Januar, Aquarell 2020, 30 x 40 cm

By the way: Wenn du die Farben und den Rubbelkrepp über den Link in meinem Artikel bestellen möchtest, bekomme ich eine kleine Provision, der Preis für dich bleibt aber gleich. Danke! 😉

Frühjahr 2021: Wichtige Info für alle, die über meinen Link bestellen: Durch die Covid-Pandemie liefert derzeit die Firma Idee.de NUR in Deutschland aus, nicht aber in Österreich! (Ich hoffe, das ändert sich bald wieder!) Alles Gute & bleibt gesund!