Von Tuschezeichnungen, Postkarten und kleinen Wundern
Charles Simic, ein Journalist der New York Review schrieb vor kurzem einen Essay über die „verlorene Kunst des Postkartenschreibens“ und meinte darin: „Meiner Erfahrung nach kann man die Menschen, die Karten verschicken, in diejenigen unterteilen, die sich für die konventionellen Bilder berühmter Orte entscheiden, und diejenigen, die gerne Bilder verschicken, deren schlechter Geschmack einen Schock oder einen Lacher garantiert.“ Ich würde eine dritte Sparte eröffnen, nämlich für diejenigen, die ein Faible für hübsche und erfreuliche Dinge hegen und darüber hinaus ihren Adressaten tatsächlich eine, und sei sie noch so klein, Freude bereiten möchten. Diejenigen, die ihren Freunden damit sagen möchten: „Hey, nichts gegen ZIB 2, aber die Welt ist auch schön, sie bietet allerlei wunderliebe Erscheinungen – Sonnenuntergänge, Narzissenduft, blühende Kirschbäume, Rotwein, Schokoladenkuchen, Pizza, Parties, Konfetti, Gedichte – und: Postkarten!“
Verneigung vor den Nestern des Widerstands
Natürlich ist diese anachronistische Form des Sich-in-Erinnerung-Rufens im Angesicht der eMail-Möglichkeiten ein wenig ins Straucheln gekommen. Sogar Hallmark, der Grußkartengigant, macht sich ob seiner in den Abgrund rauschenden Bilanzkurven, verständliche Sorgen. Aber ich bemerke anhand meiner mittlerweile nicht unbeträchtlichen Verkäufe auf Etsy, der Plattform für Selbstgemachtes, ein paar Nester des Widerstands, was mich mit Stolz erfüllt. Bin ich doch immer schon eine Freundin der papierenen Schneckenpost gewesen. Ist es nicht schön, sich den Luxus leisten zu können, einfach Zeit zu haben? So wie das Glückwunschkarten seit Jahr und Tag tun? Grußkarten sind ein paar Tage unterwegs, das ist einzukalkulieren, wenn man mit seinen Ostergrüßen nicht nach Ostern oder mit seinen Geburtstagswünschen nicht nach dem Feiertag dran sein möchte. Aber sind diese Karten dann pünktlich an ihrem Bestimmungsort angelangt, dann dürfen sie etwas verweilen. Vielleicht auf der Fensterbank oder auf der Pinnwand, vielleicht als Lesezeichen in einem Highsmith-Roman oder gar in einem kleinen Karton, der extra für solche Kandidaten in einem Kommodenwinkel platziert worden ist. Selbst wenn sie bereits kurz nach dem Lesen weggeworfen werden, was ich nicht hoffe, dann hat sich ihr Sinn bereits wie eine Lotusblume entfaltet. Sie haben ein Lächeln auf das Gesicht des Adressaten gezaubert und ihm das Gefühl gegeben, dass er für jemanden ein bisschen oder sehr wichtig ist.
Immer wieder Hasen!
So bin ich dieser Tage wieder am Hasenzeichnen. Ein Motiv aus meiner heurigen Osterkarten-Kollektion hat es nun sogar auf eine Buch-Illustration geschafft. Es ist der „davonhoppelnde Meister Lampe“, der nun in Richtung des griechischen Meteora-Klosters hoppelt. Und ja stimmt, das ist jenes auf imposanten Sandsteinfelsen gebaute Kloster, das auch als Drehort für den James Bond Streifen „In tödlicher Mission“ diente. Hier zeige ich dir ein paar Step-Fotos:
Tuschezeichnung – Schritt 1:
Alles beginnt mit einer grazilen Vorzeichnung mit einem Bleistift der Härte HB. Bleistiftskizzen, wer kann sich ihrem Charme entziehen?
Tuschezeichnung – Schritt 2: das Kloster
Das in schwindelnden Höhen gebaute Meteora-Kloster besteht eigentlich aus vielen einzelnen Klöstern. Diese Wolkenkratzer des Mittelalters wurden im 14. Jahrhundert erbaut, mit Seilzügen! Heute gehören sie zum UNESCO Weltkulturerbe. Mit raschen Strichen wächst dagegen unser Kloster ganz geschwind und mühelos.
Tuschezeichnung – Schritt 3: Fineliner
Wenn du mit der Vorzeichnung zufrieden bist, geht es ans Nachziehen der Outline mit einem Tusche-Fineliner. Achte darauf, dass er wasserfest ist, denn nachher wollen wir die Zeichnung kolorieren.
Tuschzeichnung – Schritt 4: das Kolorieren
Mit einem Haarpinsel der Stärke 3 und der Aquarellfarbe Paynesgrau, benannt nach dem Maler William Payne, lavierst du nun ein paar Schatten den Hasenkörper. Achte darauf, dass deine Pinselstriche nicht zu artig ausfallen. Lockere dein Handgelenk.
Tuschezeichnung – Schritt 5: Felsen
Die eindrucksvollen Felsen des Meteora-Klosters namens Holy Trinity Monastery erhalten ebenfalls ein paar dunkle Schatten.
Finale – Schritt 6: Hasenbasis
Damit unser Hase eine gute Basis für seinen Start hat, gib ihm etwas Untergrund mit einer Mischung aus Paynesgrau und Indigoblau.
Und hier unten siehst du Meister Lampe auf meinen Osterkarten ganz links als Hase Ferdinand. Kaufen kannst du die Osterkarten übrigens auf Etsy.
Alles Liebe & viel Freude beim Kartenschreiben!
Deine Dodo