Der Rest im Ungefähren!
Ihr wißt ja, dass ich Bleistiftzeichnungen liebe. Warum? Weil sie so zart, so einfach in Bezug der Utensilien, die man dazu braucht, sind. Weil sie nicht viel Zeit brauchen, außer man radiert so lange rum wie ich. Und weil sie seit über 5000 Jahren, als der erste Ägypter beherzt etwas Blei ins Papyrusrohr goß und damit den Bleistift erfand, beinahe unverändert uns zu Diensten sind. Nun verwendet man kein Blei mehr, sondern Graphit, aber sonst hat sich nicht viel getan. Außer dass sie hübscher sind, mit buntem Lack überzogen, achteckig, damit nichts ins Rollen gerät…mit winzigem Radetzkystummel am Ende. Er ist einfach nicht optimierbar, der Bursche. Wie schön. Wie einfach. Aber nun ans Werk. Wir zeichnen heute ein Porträt. Wenig ist so spannend wie das menschliche Gesicht. Es zu zeichnen, macht einfach Freude. Probier‘ es mal aus! Wenn du dich für das Historische des Bleistifts interessierst, klick mal hier.
Zutaten: Was braucht man, um eine Bleistiftzeichnung halbwegs hinzukriegen?
- Radetzky
- Papierstumpen
- Radierstift
- Bleistifte oder Drehbleistifte, je nach Belieben
- Papier 🙂
Radierer: Es gibt nur ein paar wenige unverzichtbare Dinge. Eins davon ist ein wirklich guter Radierer. Einer, der nicht schmiert. Einer, der nicht krümelt. Einer, der die zarte Papierschicht nicht verletzt. Am Foto kannst du sehen, dass ich den „Dust-Free“ von Faber-Castell benutze. (Keine Werbung) Den empfehle ich dir wirklich, denn er hat ausgezeichnete Eigenschaften. Du wirst sehen!
Das Helferlein
Papierstumpen: dieses kleine Helferlein kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen. Diesen Papierwischer gibt es in zwei Versionen: Estompe und Tortillon. Beide bestehen aus Papier. Der Estompe ist ganz fest zusammengepreßt und hat eine spitze Spitze, der Tortillon bloß locker zusammengedreht. Ich bevorzuge den Estompe, aber das ist eigentlich nur Geschmacksache. Damit kannst du die Schattenpartien durch „Wischen“ herausarbeiten. Verwende lieber nicht deine Finger, denn die Haut ist immer ein wenig fett und dieses Hautfett, das ins Papier eingearbeitet wird, fixiert den Bleistift. Etwas, was du wahrscheinlich nicht willst. Angenehmer Nebeneffekt: die Finger bleiben sauber. Darüberhinaus verwende ich auch einen fingerlosen Handschuh, damit mein Handballen den Graphit auf dem Papier nicht verwischen und alles grau aussehen lassen.
Der Best-Boy
Radierstift: Eigentlich unverzichtbar für Bleistiftzeichnungen, insbesondere Porträtzeichnungen, ist ein Radierstift, der den Graphit punktuell vom Papier hebt. Meiner ist von Tombow.
Der Hauptdarsteller
Bleistifte: Um den richtigen Bleistift auszuwählen, braucht’s keine Tipps. Flaniere einfach durch den Künstlermarkt und probiere dich durch. Verschiedene Stärken, von 4H bis 6B, solltest du „im Köcher“ haben. Für dieses Porträt habe ich den 4H (sehr hart) bloß für die Haare verwendet. Die sehr dünnen Linien kannst du nur mit einem harten Stift zeichnen. Für Augen, Lippen und Wangen habe ich dann einerseits den Drehbleistift mit einer HB-Mine verwendet und einen 2B für die Schattierungen. Teste dich durch.
Papier: Die Bleistiftzeichnung ist äußerst demokratisch. Sie verträgt sich mit fast allen Papieren. Du kannst also heftig ausprobieren. Ich habe hier ein Recyclingpapier der Stärke 120 Gramm verwendet. Für manche Porträts eignet sich ein feinporiges Papier noch besser.
Die Hand in der Bleistiftzeichnung
Warum sind Hände eigentlich so schwierig zu zeichnen? Vielleicht weil wir einfach nicht genau hinschauen. Die Verkürzungen und die Perspektive erleichtern einem die Arbeit zudem auch nicht besonders. Die Finger sind unterschiedlich lang, die Gelenksknorpel liegen leider auch nicht auf einer Linie. Man muss also wirklich sehr genau hinschauen und am besten von Fotos lernen. An den Gelenken zeichnest du ein paar Fältchen und das 3D-Feeling erreichst du am besten durch Schattieren mit dem Estompen.
Licht und Schatten in der Bleistiftzeichnung
Ein harmonisches Gleichgewicht von Licht und Schatten erhöht den Reiz deiner Bleistiftzeichnung. Mir gefällt das „Halbfertige“ sehr…so definiere ich nur Teile der Zeichnung, wie hier das Gesicht und die Hand, und lasse den Rest im Ungefähren. (Yes, das ist die Auflösung des Untertitels!) So bleibt das Skizzenhafte, Träumerische in der Zeichnung bestehen. Die Phantasie des Betrachters ergänzt dann alles ganz automatisch.
Ich hoffe, ich habe dich zu eigenen Bleistiftzeichnungen inspiriert und freue mich, wenn du bald wieder mal bei meinem Blog vorbeischaust.
Alles Liebe & stay creative
Deine Dodo