Im Augenblick erwacht das Leben
Ja, es stimmt: erst wenn die Augenblicke gelingen, beziehungsweise, der Augenblick eine intensive Stimmung vermitteln kann, bin ich mit einem Bild zufrieden. Dann erst beginnt die Malerei lebendig zu werden. Mit einem Mal wird eine Beziehung zwischen Bild und Betrachter möglich. Gleich wie die Töne unserer Lieblingsmusik uns zu berühren vermögen, rührt auch ein Blick aus traurigen Augen an unser Gemüt. Ich male oft nach Fotovorlagen, in diesem Fall hat mich der elegische, sanfte, verträumte, ein wenig melancholische Blick des Models fasziniert.
Indigoblau für die Untermalung der Augenblicke
Ich kolorierte die Vorzeichnung mit einer sehr wässrigen Lösung von Indigoblau, einer Farbe, die zu verträumten, intensiven Stimmungen hervorragend passt. Sie ist nie zu himmelblau, nie stechend oder schreiend, sondern immer dem Grau näher als dem Blau. Auch wenn sie quasi „unkorrigierbar“ ist! 😉 Meines stammt von Schmincke, wie die meisten meiner Aquarellfarben. Schmincke nennt sie den sechsten Ton des Regenbogens, was ich ungeheuer poetisch finde. Ich denke, das ist mal ein Gedicht wert!
Was ist wichtig beim Malen der Augen?
- Der Augapfel ist eine Kugel, die Augenlider (auch das untere!) umschließen ihn sanft.
- Die Iris ist an einigen Stellen heller.
- Die Pupille wird vom Reflex des auftreffenden Lichts unterbrochen.
- Das untere Augenlid nicht „in-einem-durch-zeichnen“, den Strich unterbrechen.
- Iris und Pupille sind selten kreisrund (Perspektive).
- Das Augenweiß wird durch das obere Augenlid beschattet.
- Das Augenweiß ist nie ganz weiß! 😉
Der Mund
Um Lippen zu malen, schau dir genau an, wo das Licht hinfällt. Erst Licht und Schatten modellieren die Lippen zu einem sinnlichen Mund. Die Unterlippe hat zumeist ein (unregelmäßiges) Glanzlicht in der Mitte und etwas Schatten aufgrund der Oberlippe. Die Oberlippe weist den Schatten auf der Unterseite auf und wird heller zur Mitte hin. Am besten du betrachtest aufmerksam echte Menschen und Porträtfotos auf Instagram oder Fotoplattformen.
Licht und Schatten im Augenblick
Da das Licht bei diesem Bild von der linken Seite kommt, liegt die rechte Gesichtshälfte im Schatten. Die Haare habe ich nur angedeutet.
Keine Angst vor Farben!
Man könnte nun das monochrome Indigo-Porträt „Augenblicke“ einfach so stehenlassen. Ich habe mich aber für eine intensive Kolorierung mit heftigem Orange entschieden, um die elegische Stimmung etwas zu brechen. Ich finde, beide Varianten haben ihren Reiz. Was meinst du?
Und hier die mutige Kolorierung über das mit Indigo „untermalte“ Porträt im Video-Tutorial:
Wann hast du das letzte Mal ein Porträt gemalt? Es ist wahrscheinlich schon viel zu lange her – > vielleicht hast du ja jetzt wieder Lust bekommen? Ich hoffe, ich konnte dich inspirieren?
Deine Dodo